Kaffee: Weltmarktpreisen am Höchststand, aber kein menschwürdiges Leben für nicaraguanische ProduzentInnen

Südwind deckt menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Nicaraguas Kaffeeproduktion auf.
Wien, 22.03.2012 – Am Wochenende werden sich bei der „Tea & Coffee World Cup Europe“ in Wien internationale Kaffee-ExpertInnen über die neuesten Trends und Entwicklungen der Kaffeeindustrie austauschen. Während die Branche boomt und der weltweite Kaffeekonsum stetig ansteigt, kommen die KaffeeproduzentInnen in Mittelamerika trotz hoher Weltmarkpreise kaum über die Runden, wie ein Lokalaugenschein der entwicklungspolitische Organisation Südwind in Nicaragua zeigt.

Hohe Verschuldung macht Einkommen zunichte

Die Kaffee-Ernte 2011/2012 ging im Februar mit Rekordpreisen zu Ende. Dennoch können sich KleinproduzentInnen, die den Großteil des wichtigsten Exportproduktes Nicaraguas produzieren, kein menschenwürdiges Leben leisten. Die KaffeebäuerInnen sind meist hoch verschuldet. Dafür sind sowohl die niedrigen Weltmarktpreise der letzten Jahre, als auch das fehlende Eigenkapital verantwortlich. Das Betreiben der Landwirtschaft und vielfach auch die Kosten des täglichen Lebens bestreiten die ProduzentInnen mit Krediten, die sie von privaten GeldverleiherInnen oder den KäuferInnen ihres Kaffees erhalten. Die Zinssätze sind jedoch horrend und belaufen sich auf bis zu 10% monatlich. „Noch bevor der Kaffee geerntet ist, verkaufen wir ihn an Zwischenhändler, um Nahrungsmittel, Dünger oder den Transport unseres Kaffees zu bezahlen. Nachdem wir die gesamte Ernte abgeliefert haben, bleibt kaum etwas übrig“, berichtet Kaffeeproduzentin Crecencia Cortéz dem Südwind-Team im Jänner. "Aufgrund unserer Schulden, müssen wir den Kaffee immer an den gleichen Händler verkaufen, und wir müssen uns mit dem angebotenen Preis und Abschlägen für Transport und unzureichende Qualität zufriedengeben."

Schlechte Erträge und unsicherer Weltmarktpreis
Neben den hohen Kosten für die Kredite tragen auch geringe Erträge zur schlechten Einkommenssituation der KleinproduzentInnen bei. Die durchschnittlichen Erträge in Nicaragua liegen mit 540 kg Rohkaffee pro Hektar weit unterhalb der möglichen Erträge von 1900 kg pro Hektar. "Es fehlt an Investitionen. Die Kleinproduzentinnen und - produzenten  können sich in manchen Jahren keinen Dünger leisten, geschweige denn die Erneuerung ihrer Kaffeesträuche finanzieren", berichtet  Victor Caseres vom nicaraguanischen Landwirtschaftsministerium. "Bleiben die Preise auf dem derzeitigen Niveau von 22 USD pro Pfund Rohkaffee, kann sich die Situation der Kleinproduzentinnen und - produzenten langfristig verbessern. Zusätzlich braucht es eine Diversifizierung der Produkte. Vor allem der Anbau von Grundnahrungsmittel, wie Mais und Bohnen, oder Früchten für den lokalen Markt, verringert die Abhängigkeit der Bauernfamilien von den schwankenden Weltmarktpreisen", so Victor Caseres.

Prekäre Arbeitsplätze in der weiterverarbeitenden Industrie
Auch die ca. 100.000 LandarbeiterInnen und ArbeiterInnen in verarbeitenden Betrieben leben in prekären Verhältnissen. Der gesetzliche Mindestlohn für LandarbeiterInnen beträgt bei einer 48-Stunden-Woche pro Monat 1970 Cordoba (ca. 60 Euro), die Lebenserhaltungskosten für eine 5-köpfige Familie liegen jedoch bei 9600 Cordoba (ca. 320 Euro). 60% davon müssen allein für Nahrungsmittel aufgewandt werden. In der verarbeitenden Industrie beträgt der Mindestlohn bei einer 48-Stunden-Woche 3350 Cordoba (ca.112 Euro). Die meist jungen Männer sind nur für wenige Monate zur Erntezeit angestellt. Dann schleppen sie bis zu 12 Stunden täglich schwere Kaffeesäcke auf ihren Schultern, eine Arbeit, die sie oft nur bis zum Alter von 35 Jahren durchstehen.

Zusammenschluss in Kooperativen als Ausweg
Um am schwierigen Kaffeemarkt bestehen zu können, haben sich etwa 70% der nicaraguanischen KleinproduzentInnen zu Kooperativen zusammengeschlossen. Eine der größten in der Region Matagalpa im Norden Nicaraguas ist mit ihren 2700 Mitgliedern die Organisation CECOCAFEN. Sie setzt bei der Kaffee-Vermarktung auf hohe Qualität und auf den Vertrieb im Fairen Handel. Das FAIRTRADE-System unterstützt KleinproduzentInnen, die in Kooperativen organisiert sind, durch einen garantierten Mindestpreis und eine Sozialprämie. Durch den Verkauf des Rohkaffees an AbnehmerInnen in Europa und in den USA, sind die Mitglieder von CECOCAFEN direkt an der Wertschöpfung des Kaffees beteiligt. Außerdem profitieren sie von zahlreichen Projekten zur Verbesserung der Lebensbedingungen, dem Wissenstransfer zu nachhaltigem Anbau innerhalb der Organisation, sowie von aktuellen Informationen über die Preise an den internationalen Börsen. "Wir produzieren ausschließlich nach den Kriterien des Fairen Handels. Doch nur etwa 50 Prozent unseres Kaffees wird auch als FAIRTRADE-Kaffee verkauft", berichtet Santiago Dolmus von CECOCAFEN über die unzureichende Nachfrage.

Österreich's Beitrag
Österreichs KonsumentInnen können die KaffeeproduzentInnen in Nicaragua durch den Kauf von fair gehandeltem Kaffee unterstützen. Vor allem GroßverbraucherInnen, wie öffentliche Institutionen, Universitäten oder Krankenhäuser verfügen über eine enorme Kaufkraft, die sie für eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen im Kaffeeanbau einsetzen können.  „Die Produzentinnen und Produzenten und auch die Arbeiterinnen und Arbeiter in Nicaragua müssen besser am florierenden Kaffee-Geschäft beteiligt werden. Nur dann bleibt beim Kaffee kein bitterer Nachgeschmack!“, fordert Herwig Adam, Südwind-Geschäftsführer, nach dem Lokalaugenschein in Nicaragua.

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Rückfragehinweis:
Herwig Adam
Südwind
Tel.: 01 405 55 15 313
E-Mail: herwig.adam@suedwind.at

Die europäische Initiative "Verantwortliche öffentliche Beschaffung und menschenwürdige Arbeit JETZT!“ wird von der Europäischen Union gefördert. Die vertretenen Standpunkte geben die Ansicht der Südwind Agentur wieder und stellen somit in keiner Weise die offizielle Meinung des Fördergebers dar.


Südwind
setzt sich als entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation seit über 30 Jahren für eine nachhaltige globale Entwicklung, Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen weltweit ein. Durch schulische und außerschulische Bildungsarbeit, die Herausgabe des Südwind-Magazins und anderer Publikationen thematisiert Südwind in Österreich globale Zusammenhänge und ihre Auswirkungen. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen, Kampagnen- und Informationsarbeit engagiert sich Südwind für eine gerechtere Welt.

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